Kaspar Winzerer III, Ritter und Pfleger in Tölz, der mit vielen Künstlern und Wissenschaftlern verkehrte, ist der Namensgeber der erfolgreichen Buchhandlung. Für die Einladung zur Eröffnung musste er allerdings von seinem Sockel vor der Buchhandlung steigen. Mit einem Glas Wein, in einem Buch schmökernd, steht bzw. sitzt er stellvertretend für alles, was das neue Geschäft zukünftig bieten wird.
Am 9. März 1974 hat Johanna Zantl ihre Buchhandlung in der Bad Tölzer Marktstraße eröffnet. In den vergangenen Jahren wurde ihr Geschäft in dem alten Gewölbe zu einer Begegnungsstätte für alle, die sich für mehr als „nur“ Bücher interessieren. Doch Bücher waren, sind und bleiben das Wichtigste.
Um neue Ideen und Anregungen zu bekommen, arbeitete Johanna Zantl während ihrer Berufsjahre jeweils mehrere Monate in Buchhandlungen in Australien, Israel und Norwegen. Nach der Wende fand ein interessanter mehrwöchiger Arbeits- und Ladentausch mit einer Rostocker Buchhändlerin statt.
Kulturelle Angebote im ländlichen Raum gab es kaum in den 70er Jahren – eine Lücke, die von der an jeder Form von Kunst und Kultur interessierten Buchhändlerin im Lauf der Zeit mit zahlreichen anregenden und auch überraschenden Veranstaltungen gefüllt werden konnte. Viele dieser Feste, Feiern, Lesungen, Vorstellungen oder Konzerte fanden entweder in den eigenen Räumen statt oder auch außerhalb, wie beispielsweise im Kurhaus, im Gymnasium, in Kirchen, in Gaststätten oder im Evangelischen Gemeindehaus. Von den vielen Veranstaltungen können hier nur wenige hervorgehoben werden.
Winzerer Filme
Sehr beliebt war auch die monatliche Filmreihe, die Johanna Zantl 1982 ins Leben gerufen hat. Neun Jahre lang und einmal pro Monat mietet sie das Tölzer Kino, das so gut wie immer ausverkauft war. Sicher wegen der ungewöhnlichen Auswahl poetischer, klassischer und aktueller, also ganz besonderer Filme. Chaplin, Sternheim, Staudte, Fellini oder Schamoni sind die Schöpfer der Filme, die gezeigt wurden. Oft findet die Vorführung in Anwesenheit von Regisseuren und Schauspielern wie Herbert Achternbusch, Josef Bierbichler oder Marianne Rosenbaum statt.
Eine kleine Auswahl: Gorkis „SOMMERGÄSTE“ (Regisseur Peter Stein), Tarkowskis „DAS OPFER“, „STAMMHEIM“ von Reinhard Hauff, Brechts „UNWÜRDIGE GREISIN“ in der Regie von René Allio, „JAZZ AN EINEM SOMMERABEND“ von Bert Stein oder „DIE KLAGE DER KAISERIN“ von Pina Bausch.
Ausstellungen
Viel beachtete Ausstellungen wurden ebenfalls von Johanna Zantl organisiert. Nur einige können hier, wiederum stellvertretend, genannt werden. Beispielsweise die Jugendbuchausstellungen im Schloss Reichersbeuern und im Tölzer Landratsamt oder die Ausstellung der Tölz-Bilder des Fotografen Tobias Hohenacker. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind als „WINZERER-POSTKARTEN“ erhältlich. Der Dokumentarfilm von Katrin Seybold „NEIN: ZEUGEN DES WIDERSTANDES IN MÜNCHEN 1933 BIS 1945“ wird in der Buchhandlung in Anwesenheit der Filmemacherin gezeigt. Ausgestellt werden auch Marionetten von Oskar Paul und Masken von Thomas Fischer.
Musik
Die Musikbegeisterung der Buchhändlerin findet im wahrsten Sinne des Wortes Widerhall in den Winzerer-Konzerten. Anlässlich der Eröffnung, 1974, spielt das Puslquartett der Münchner Philharmoniker im Kurhaus in Bad Tölz. Franz Strauß, der Gründer der Benediktbeurer Konzerte musiziert mit der Freiburger Sopranistin Magdalene Schreiber-Helm. In der Stadtpfarrkirche findet ein Konzert mit dem Tölzer Knabenchor und dem Florilegium Musicum unter der Leitung von G. Schmidt-Gaden statt. Einen Liederabend im Schloss Reichersbeuern gibt Barbara Hölzl, Mezzosopranistin, mit Liedern von Mahler, Milhaud und Schumann. Auch die Biermösl Blosn folgten ihrer Einladung.
Leser und Lesungen
Zu den Autorinnen und Autoren, die gerne kamen, eigene oder fremde Texte lasen, gehörten auch Künstler aus dem Isarwinkel: Gina Ruck-Pauquet, Sigrid Heuck, Ludwig Graßler, Dr. Willibald Gawlik, Lucie Lentz, Elke und Stefan Orlac und die Tölzerin Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn, die Mitglied der Gruppe „DIE WEISSE ROSE“ war, kommt zu Wort.
Carmen Rohrbach, Salim Alafenisch und Ingeborg Drewitz gehörten ebenfalls zu ihren Gästen.
Eine Buchhandlung in Bewegung
1996 wird die Buchhandlung erweitert, die nun auch Platz für ein Klavier bietet. Jeden 2. Samstag im Monat kann man dort Musik hören, Kaffee trinken oder auch ein Glas Wein genießen. Jetzt können Buddenbrock-Weine angeboten werden – „Rotspon“ und „Wittspon“ aus dem ältesten Wein-Importhaus Deutschlands von Carl Desdorpf in Lübeck. Und es gibt Droste-Hülshoff-Weine aus dem Anbaugebiet derer von Hülshoff.
Highlights
Dazu gehört die Veranstaltung mit MICHAEL ENDE in der Aula das Gymnasiums. Er liest aus seinem Buch: „DIE UNENDLICHE GESCHICHTE“ – Vor allem Kinder und Heranwachsende gehörten zu den 400 Besuchern.
GERHART POLT begeistert einige Male die Winzerer Zuhörer, wie auch FRIEDRICH ANI, der Kostproben seiner spannenden Romane, seiner Jugendbücher und seiner Lyrik gibt.
HERIBERT PRANTL stellt sein Buch „SIND WIR NOCH ZU RETTEN“ vor. Er ist Leiter des Ressorts für Innenpolitik der SZ und Träger des Geschwister-Scholl-Preises.
HANNE HIOB, die Tochter Bert Brechts, zitiert aus Werken ihres Vaters und von Nazim Hikmet.
ELISABETH MANN-BORGESE, die jüngste Tochter Thomas Manns und Professorin für Seerecht, ist Gast in der Buchhandlung und signiert ihr Buch „MIT DEN MEEREN LEBEN“.
Der Mongole GALSAN TSCHINAG, Stammesfürst, Schamane und Dichter, der dem Nomadenvolk der Tuwa angehört, liest aus seinem Buch „IM LAND DER ZORNIGEN WINDE“.
Auch Rowling-Fans kommen nicht zu kurz. Bei einer HARRY-POTTER-PARTY bewachen zwei Esel vor der Buchhandlung das Potter-Depot – und die Kinder sind begeistert.
40 Jahre Buchhandlung Winzerer
Nach 40 erfolgreichen Jahren Buchhandlung Winzerer mit der Gründerin und Inhaberin Johanna Zantl übernimmt ab dem 01. April 2014 die langjährige Mitarbeiterin Petra Schenk die Leitung.